Der Titicacasee – 8.300 km² groß – auf einer Höhe von 3810 m
Der Salzsee von Uyuni – 10.600 km² groß – auf einer Höhe von 3653 m
Wir befinden uns in San Pedro de Atacama. Der Wecker hat bereits vor 2h geklingelt, und nachdem wir verschlafen unser Hab und Gut eingepackt haben werden wir pünktlich 8:10 Uhr von einem Minivan am Hostel abgeholt. Die kalte Dusche haben wir uns erspart, genauso das klägliche Frühstück in Form von Toast (Zwieback), gesalzener Margarine und Marmelade, von den Besitzern nur liebevoll „Dulce“ (süß) genannt. – Ob die überhaupt schon mal an einem Pfirsich gerochen hat? – Man weiß es nicht.
Wir fahren noch ein wenig durch den Ort um unsere Mitstreiter abzuholen und kommen eine halbe Stunden später zwei Straßen neben unserem Hostel in einer langen Minibusschlange zum Stehen. – Hier ist also die chilenische Ausreise. Hätte man auch in 5 min hinlaufen können.
Wieso haben eigentlich alle Agenturen immer genau denselben Zeitplan? Das hat nämlich den Nachteil, dass dann immer alle Reisenden zu derselben Zeit am selben Ort sind. Vor allem doof an Grenzkontrollen, an denen sie sowieso schon maßlos mit den einfachsten Abläufen überfordert sind. Noch blöder ist es allerdings, wenn man immer als letzter ankommt. – Höflich wie wir sind, stellen wir uns also ganz hinten in der Schlange an und warten. Genug Zeit um unsere Mitreisenden etwas näher kennenzulernen: da gibt es Oliver, ein Amerikaner aus dem Sunshinestate, zwei Geschwister Timon und Esther aus Wuppertal, mit denen wir uns direkt gut verstehen, und einen schüchternen und höchst verschlafenen Engländer Andrew. Wider Erwarten haben wir eine sehr nette Gruppe erwischt, mit der wir uns die nächsten drei Tage in einen Jeep quetschen werden.
Nach 1,5h Warten und vieler Rüffel des chilenischen Aufsehers „mas silencio, por favor“ – Lachen ist an Grenzkontrollen gar nicht gerne gesehen – bekommen wir von dem muffeligen Beamten endlich den Stempel in den Pass gedrückt und trotten zurück zu unserem weißen Sprinter.
Nachdem sich alle Vehikel vor uns bereits auf den Weg gemacht haben, verlassen auch wir die Stadt Richtung bolivianischem Grenzposten. Eine Stunde geht es durch die Wüste den Berg hinauf, bis wir an eine „Kreuzung“ kommen, die rechts geteert Richtung Argentinien geht und links, nicht wirklich zu erkennen, querfeldein nach Bolivien abbiegt. Der Fahrer entschließt sich für die Schotterpiste und keine 10 min später sehen wir schon das Grenzhäuschen. Hier steht auch schon unser 4×4 Gefährt bereit: ein weinroter Toyota Range Cruizer, quasi der Urvater aller Sports Utility Vehikel von heute. Ein kleines Frühstück wird serviert, während jede Gruppe der Karawane sich in ihrem Tempo die Einreisestempel holt. Felix, unser bolivianischer Fahrer, steht schon auf dem Autodach bereit und versucht uns wild gestikulierend klarzumachen, dass wir doch schon mal unsere Rucksäcke zu ihm hochwerfen sollen. – gar nicht so einfach bei 18 kg. – Das Gepäck wird mit einer blauen Abdeckplane ummantelt und am Dach festgeknotet.
Wir steigen in das Fahrzeug und richten uns schon mal häuslich ein. Die Sicherheitsgurte funktionieren natürlich nicht, aber das ist in Bolivien auch keine Vorschrift. Felix holt ein paar Cocablätter (soll gut für die Höhe sein) aus seiner Tüte, bricht die Stängel heraus und lässt sie, ab und zu darauf kauend, in seiner Backe verschwinden. Dann führt er uns stolz sein Autoradio vor, welches er via Fernbedienung bequem aus der Hüfte bedienen kann. Das ist auch wirklich das einzig neue an dem Wagen. Auf einem USB Stick hat er sämtliche Poeten der bolivianischen Hitparade dabei, die uns mit Tränenverzerrter Stimme von nun an die Fahrt versüßen. Mit 15 km/h (der Tacho war kaputt) geht es durch die kargen Landschaften, an der Laguna Blanca (weißer See) vorbei zur Laguna Verde (grüne Lagune) am Fuße des Vulcans Licancabur. Wir erkundigen uns närrisch: „Und wo ist das Grün?“ Felix lässt die Frage unbeantwortet, steigt aus und blick gedankenverloren in die Ferne. Plötzlich breitet sich ein dickes Grinsen auf seinem Gesicht aus und er sagt: „Mira! schau, da hinten kommt es!“ Und tatsächlich, der See fängt an seine Farbe zu ändern. Staunend stehen wir alle am Ufer und betrachten das Naturschauspiel. Der See hat einen hohen Anteil an Mineralien, wie Magnesium, Kalziumkarbonat, Blei und Arsen. Bei dem richtigen Sonnenstand ändert er zusammen mit dem Wind, der die Sedimente aufwirbelt, seine Färbung.
Es geht weiter zur zu einer heißen Quelle, in der wir uns etwas aufwärmen können. Wir befinden uns zwar in der Wüste und die Sonne ist sehr intensiv, aber aufgrund der Höhenlagen zwischen 3600m und 4900m erscheinen die Temperaturen doch recht frisch. Das Baden in der Bergkulisse ist toll. Beschwingt besteigen wir wieder unser Gefährt und bahnen uns den Weg durch das Sandmeer zu dem Geothermalfeld Sol de manana auf 4850m. Das Feld ist ähnlich zu El Tatio in Chile. Es riecht nach faulen Eiern, es raucht und es gibt kochende Schlammlöcher; nur weniger Absperrungen gibt es. Plötzlich passiert es, keine zwei Meter von Jonas entfernt bricht ein Chilene aus heiterem Himmel ein Stück in den Boden ein und landet anscheinend Knietief in dem kochenden Schlamm. Er schreit, springt heraus, wirft sich auf den Boden und reißt sich die Schuhe von den Füßen. Wir reagieren sofort und kippen ihm den Inhalt unserer Wasserflasche über die Beine. Es werden noch weitere Wasserreserven zur Kühlung mobilisiert, aber es scheint den Schmerz nicht zu lindern. Das Problem an diesen geothermischen Feldern ist, dass der Boden durch die Aktivitäten instabil werden kann. Von seinen Mitreisenden wird er in den Jeep gehievt und in das Nächstliegende Krankenhaus gefahren. Wir sind fassungslos und betroffen. Die Stimmung ist am Boden, als wir uns auf den Weg zu unserem Nachtquartier machen. Keiner sagt etwas. Es hätte letztlich jeden treffen können, er war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Man will eigentlich gar nicht weiter darüber nachdenken.
Erschwerend kommt hinzu, dass sich nun auch die Höhe zu Wort meldet und sich die ersten Anzeichen der Höhenkrankheit bemerkbar machen. Unser restliches Wasser ist natürlich nicht griffbereit auf dem Dach festgeschnallt, sodass wir die letzte halbe Stunde das Gefühl haben fast auszutrocknen. In der Lodge angekommen begebe ich (Franzi) mich direkt in die Horizontale und fröne meinem Leiden. Die Gruppe macht noch einen Ausflug zur Laguna Colorado, dem wir uns allerdings entsagen.
Die Nächte in dieser Höhe sind unangenehm und alles andere als erholsam. Man fühlt sich wie eine frierende Dörrpflaume mit einer zu kleinen Lunge und versucht ständig die Panik zu unterdrücken, die einen, aufgrund des geringeren Sauerstoffgehaltes, immer wieder überkommt. Ausnahmsweise ist mal angenehm früh aufzustehen. Nach einem bescheidenen Frühstück geht es für uns nochmals zur Laguna Colorado, in dem ein paar Flamingos gerade ihr Frühstück zu sich nehmen. Die Sonne tut gut nach der kalten Nacht. Als nächstes kommen wir zur Wüste Dali, einer Ansammlung surrealer Felsformationen, die im Árbol de Piedra (Baum aus Stein) ihr Wahrzeichen findet.
Mit dem Kraftfahrzeug rasen wir mit unseren 15 km/h vorbei an den „bunten Bergen“ weiter zur nächsten Lagune. Nach einem kleinen Picknick am Kofferraum gibt es noch ein bisschen Zeit die zahlreichen Flamingos zu beobachten. Das Ufer ist gesäumt von Ichu Gras, der einzigen Form von Vegetation, die weit und breit zu sehen ist. Unterwegs sieht man immer wieder Vikunjas, eine Art wildes, schlankes Lama, deren Wolle als seltenste und teuerste der Welt gilt. Bei Falke gab es in einer Sonderedition z.B. ein paar Herrensocken aus Vikunjawolle für 860€.
Die zahlreichen Duftbäume schaukeln lustig hin und her, als wir mit dem Geländewagen durch einen Fluss hindurchfahren. Ausnahmsweise hat Felix mal beide Hände am Lenkrad. Ansonsten streichelt seine rechte Hand gerne den Fellummantelten Schaltknüppel. Weil wir so brav waren, bekommt jeder von uns einen Lolli geschenkt, der in allen ungesunden Farben erstrahlt. Kaum sind wir wieder unterwegs, ertönen altbekannte klänge aus dem Radio. Da sind sie nun endlich, die „Panflötenindianer“ aus den europäischen Fußgängerzonen. Es gibt sie also wirklich! Es folgte noch eine schwarze Lagune und jede Menge Steine und Berge. Der Tag erschien jedoch etwas kürzer, als der vorherige. Das Abendessen war spärlich, aber umso amüsanter und die Nacht war dank der 400 Höhenmeter weniger, etwas erträglicher.
Am dritten Tage kam das eigentliche Highlight der Reise. Nach einem kurzen Halt am Eisenbahnfriedhof und in Uyuni ging es nun endlich zum Salar de Uyuni, dem Salzsee. Der Übergang ist fließend und mit der Zeit sind auch keine sandigen Autospuren mehr zu sehen. Da sind wir nun, in der endlosen weißen Weite. Noch nie zuvor haben wir so etwas gesehen. Da es gerade noch das Ende der Regenzeit ist, gibt es einige überschwemmte Teile, die einen riesengroßen Spiegel bilden. In den trockenen Teilen bieten nur die Hexagonalen Strukturen des Salzes eine leise Ahnung von Größenverhältnissen. Aber letztendlich werden in dieser Umgebung alle Vorstellungen von Perspektive und Relation außer Gefecht gesetzt. Wieder bereitet Felix ein kleines Picknick auf der Kofferraumklappe zu, bevor wir zurück nach Uyuni fahren und uns, gesättigt von den Eindrücken, von allen verabschieden.